indische Zeiten
Ich habe ein Motorrad gekauft, das wissen ja alle Leute, die hier öfter reinschauen, schon seit Monaten. Ich fahre mit diesem Motorrad auch schon seit Monaten durch Indien. Aber gleich nachdem ich es erhalten hatte, startete ich das große Unterfangen, es auf meinen Namen registrieren zu lassen. Das organisiert ein Freund (und er braucht auch immer einige Zeit, um in die Hufe zu kommen, aber das interessiert heute gar nicht). Ein Freund dieses Freundes ist Fahrschulbetreiber, er kennt sich mit dem RTO aus, dem RegionalTrafficOffice, das zuständig ist für Führerscheine und eben auch für die Registrierung von Fahrzeugen.
Dieser gute Mann bekommt eine kleine Entschädigung für seine Mühen, das ist ok. Das Ganze kostet vier, fünfhundert Rupies, das ist auch ok.
Der Chef dieses Office wollte mich persönlich sehen und persönlich meine Unterlagen, die ich in Kopie abgegeben hatte, überprüfen, auch das kann ich noch akzeptieren.
Als ich da war - was ganz unbürokratisch ohne allzu langes Warten möglich war - merkte ich schon, dass der gute Mann gerne etwas bekommen hätte, ein Schein im Pass wäre sicher nicht falsch gewesen. Aber das kann ich ja nicht, das habe ich nie gelernt, ich weiß nicht, wie man geschickt Schmiergelder zahlt, und dabei den Leuten ermöglicht, das Gesicht zu wahren. Also gab es nix - und er wusste wohl auch nicht, wie er einen Fremdländer fragen müsste. Gestern bekam ich dann die Nachricht, dass das ganze 1150 Rupies teurer würde, weil "there was an extra bribe necessary ..."
Nun, mich kostet die Registrierung jetzt also nicht nur 15 € sondern das doppelte, damit kann ich leben. Und weil ich reich bin im Vergleich zur großen Mehrheit der Inder, kann ich mir Korruption leisten und sie vereinfacht manche Sachen sogar. Aber ich bin reich, was machen diejenigen, für die 1000 Rupies ein Drittel Monatseinkommen sind?
Holi ist eins der Feste, für die Indien berühmt ist, und das inzwischen weltweit nachgeahmt wird, selbst im kulturlosen Ägypten gab es in fast jedem größeren Ort "Festivals of Color", wo genau das passiert, für das Holi berühmt ist, Farben werden verstreut, Leute bewerfen sich mit Farbpulver, am Ende ist jeder völlig bunt.
Inzwischen wohne ich in Indien und wollte genau das sehen, an der Quelle, in Indien eben. Vorher fragte ich herum, wann ich wo sein müsse, um wirklich etwas zu sehen.
Meine Heiligen Ashram Freaks hatten allesemt keine Ahnung, die meisten kommen nicht wegen der indischen Kutlur im Allgemeinen, sondern eben wegen des Ashrams und des Meisters in die Gegend, bei denen also völlige Fehlanzeige. Aber auch meine indischen Kollegen und Kolleginnen hatten keine Ahnung, nur die vage Idee, dass vielleicht im eher traditionellen Stadtteil um Perrys Corner etwas passieren könnte, man müsse eben dort hin fahren und schauen.
Ok, wir hatten ein gemütiches Frühstück und vorher gut ausgeschlafen. Unser Fehler. In einigen Straßen sahen wir noch Farbreste. Und dann sahen wir doch ein paar wenige Menschen, die Holi gefeiert hatten:
Aber traurig ist das schon, dass nicht einmal traditionelle indische Kultur in dieser Millionenstadt einen Platz hat, wo gefeiert wird, wo ein zentrales Event geschieht, wo ein Plakat erschiene oder wenigstens im Netz eine Ankündigung gemacht würde. Einfach nur öde, dieses Chennai, schade und dumm gelaufen ...
Ich habe keine statistischen Daten, aber ich kenne die Aussagen meiner Kollegen und Kolleginnen, die an anderen indischen Schulen arbeiten - und die haben allesamt viel viel mehr Ferien als ich, eine Kollegin hat zwar ab und an mal einen Samstag zu arbeiten, aber garantiert und auf alle Fälle jeden zweiten Samstag frei, ich hatte auch schon fünf Wochen am Stück keinen freien Samstag ...
Nun, in meiner absurden Schule, wo es so verrückte Sachen gibt wie Mails, in denen geschrieben wird, dass die Schüler zwar frei haben, die Lehrer aber kommen müssen (und das ist dann ernst gemeint, wer da nicht kommen würde, würde mächtig Ärger kriegen, Abmahnungen, ernste Gespräche, Lohnkürzungen ...), in dieser Schule, in der scheinbar mehr gearbeitet wird, als sonst wo (und als gut ist), hier gibt es Morgen, kaum vorstellbar, einen freien Tag für den Feiertag "Holi", einem Feiertag, der wohl auch als "Festival der Farben" berühmt ist. Immerhin.
Donnerstag wird dann wieder gearbeitet, wie sich das gehört.
Und für das Eierfest gibt es dann den Freitag frei, so dass ich diese Woche ein richtig langes Wochenende habe mit drei freien Tagen, kaum vorstellbar aber scheinbar wahr.
Aber natürlich gibt es mindestens eine Schuile hier in dieser Welt, in der Donnerstag gearbeitet wird - und selbst wenn die Schüler frei bekämen, weil man sich ja gut denken kann, dass niemand kommen wird am Donnerstag, selbst dann würde in der selben Mail stehen, dass wir Lehrer auf jeden Fall zu erscheinen hätten.
Einfach mal losgefahren, ohne irgendwohin kommen zu wollen, einen schicken Tempel gefunden, ein bisschen photographiert, wieder nach hause gefahren - genau so soll das sein, oder?

Weil der Schnupfen einfach nervt inzwischen, war ich in der Apotheke, fragte nach Tabletten gegen Erkältung (verstand der gute Mann nicht, also musste ich es erklären, laufende Nase, Niesen, Husten, ...). Mit vier mal je zwei Pillen kam ich wieder raus: ein Antihistamin, hilft wohl auch gegen Schnupfensymptome, halber Treffer, ein Mittel mit einer Mischung aus diversen Inhaltsstoffen, die man auch in verschiedenen normalen Anti-Erkältungspillen findet, dreivierteltreffer (die Antihistamine darinnen sind irgendwie seltsam), ein Kortisonmittelchen, das in deutschen Landen gegen schwere Allergiesymptome und wirklich heftige Krankheiten verschrieben wird und eine recht genaue Überwachung durch den Arzt verlangt und außerdem noch ein Antibiotika, das nach deutscher Beschreibung angeblich eher gegen bakteriologische Infektionen im Magen/Darmtrakt, bei äußerlichen Sachen wie Blutvergiftung und eher nur am Rande bei Infektionen des Hals/Nasen-Raumes eingesetzt wird.
Sehr spannender Mix ist das. Als der gute Mann all die Pillen von den Streifen abschnitt, wurde mir schon anders - ordentliche Packungen gibt es eh nicht, nur die typischen Pillen-Streifen sind in großer Zahl in irgendwelche Kistchen gepackt. Ddaraus holt der gute Mann halt einige, schnitt munter drauf los und als ich nachfragte, was das sei, sagte er mir zu zweien, die seien gegen den Schnupfen (das eine Schnupfenmittel und das Antihistamin), das Antibiotika sei gegen Husten und das letzte (wir erinnern uns, Kortison ...) gegen die Kopfschmerzen (die ich gar nicht genannt hatte). Was für Mittel das seien, fragte ich zwar, aber eine Antwort kam nicht, da war er wohl überfragt.
Alle vier Medikamente solle ich zweimal täglich einnehmen (automatisch hatte er mir eh jeweils zwei davon gegeben), welche davon nach, vor oder zwischen Mahlzeiten genommen werden sollten, spielt keine Rolle, welche davon man auch über einen längeren Zeitraum nehmen sollte, ist egal, ...
Dieser kleine Höllenmix kostete mich 20 Rupies, 30 cent und gleich in der Apotheke wusste ich schon, dass ich die Dinger ohne kleine Internetrecherche nicht schlucken würde.
In der anderen Apotheke bekam ich dann eben ein ganz normales Mittelchen wie man es auch in Deutschland kriegt mit Wirkstoffen, die eher harmlos sind und dann tatsächlich auch bei Erkältungen verabreicht werden. Und das gab es dann auch ganz normal im 10er Pack mit der Angabe, zwei mal täglich eine mit viel Wasser zu nehmen. Immerhin etwas.
Demnächst ist Holi, eine Art Frühlings-, Erntedank- und Fest für alle Fälle. Mythologisch gesehen hat wohl irgendwann das Böse mal wieder gegen das Gute gekämpft, das Gute hat gewonnen, in manchen Teilen des Landes fängt der Frühling als die blühende, bunte Jahreszeit an, in vielen Teilen ist die Ernte im Vollen Gange, es muss gefeiert werden.
Und das tut man mit Feuern, aber vor allem mit viel Farbe. Die wird überall verteilt die wird sich selbst ins Gesicht aufgetragen und eben auch allen anderen, denen man begegnet, man erschreckt sich, man bewirft sich mit Farbe, man schmiert sie dem Lehrer ins Gesicht ...
Wir hatten eine kleine Aufführung passend zum Fest in der Schule und die Kids hatten viel viel von der Pulverfarbe dabei ;-)
Vorgestern Abend war das Gas alle, die Flasche endgültig leer, ein Süppchen gab es nicht mehr.
Nachbars sagten mir, der normale Weg, eine neue Flasche zu bekommen, sei es, im Rechnungsbuch nachzuschauen, die dort verzeichnete Nummer anzurufen, die eigene Abonnement-Nummer anzugeben und das Gas würde geliefert. Bezahlen müsse man auch - soweit ich verstanden habe, irgendwo bei der Niederlassung der Gesellschaft im nahen Stadtteilzentrum. Zur Bekräftigung wurde mir so ein Büchlein gezeigt, mit Stempeln drinnen und Daten, Einträgen, alles sehr schön bürokratisch und indisch und kompliziert ohne Ende - ganz wichtig: ohne die Nummer geht gar nix.
Ich schrieb also den Vermieter an, bekam dann auch heute Morgen Antwort, die Telephonnumer des Agenten, der solche Sachen für meinen Vermieter immer erledigte, seinen Namen, die Abonentennummer, den Namen der Gesellschaft, alles, was ich an Information auch brauchte. Heute Abend wollte ich anrufen und, wie mir gesagt worden war, zwei, drei Tage auf die Lieferung warten.
Auf dem Weg nach Hause hatte ich das große Vergnügen, einen Lieferwagen genau dieser Gesellschaft zu sehen, den Fahrer anzuschwätzen und fünf Minuten später schon den Gasherd anwerfen zu können - die Bürokratie in Indien ist die Hölle, aber es gibt eben auch immer wieder mal kurze Wege :)
Das
Aus meiner Höhle heraus (mein Raum ist in "zweiter Reihe", er hat kein Fenster nach draußen, was hier leider normal ist, aber da alle Wände rundherum aus Fenstern bestehen, kann man trotzdem auch ein Stück blauen Himmel ahnen, aus dieser dunklen und kühlen Höhle bin ich also heraus gekommen und in den anderen Teil der Schule hinübergewandert, ein Weg von vielleicht einmal 100 Metern.
Ich war nicht wirklich durchgeschwitzt, aber doch kurz davor. Und drüben haben sie in ihren Klassenzimmern keine Klimaanlage, sitzen nicht in zweiter Reihe wie ich, sondern kriegen den ganzen Tag volle Sonne und dementsprechend Hitze.
Wie ich bei dem Wetter aber nach Hause radeln soll, das weiß ich noch nicht ;-)
das heutige Rennen habe ich verloren:
Vor mir kamen zwei kleine Jungs von einem Weg auf die Straße, vierte, fünfte, vielleicht auch noch sechste Klasse, klein, beide, in einer Uniform, die weniger an eine Schuluniform und mehr eine Pfadfinderuniform erinnerte. Einer von beiden stand in den Pedalen des ziemlich großen Fahrrads, der andere saß auf dem Gepäckträger, nach ersten Schlenkern ging es dann doch erstaunlich gut und gerade aus, der Fahrer gab kräftig Gas, nicht wegen mir, noch hatten sie mich nicht bemerkt und als es soweit war, fuhr ich einfach vorbei, ohne dass sie auch nur einen Schimmer einer Chance gehabt hätten, schneller zu sein und auch kein Rennen wagte, sie schauten einfach fröhlich und waren mehr damit beschäftigt, selbst und allein so schnell zu fahren wie es ihnen möglich war (und sie waren schon fix, weit schneller als die meisten Erwachsenen, die gemütlich durch die Welt rollern, ...).
Nach einiger Zeit und einem Kilometer hörte ich ein Motorrad von hinten, wurde überholt und siehe da, der Mopedfahrer schob mit seinem Fuß das Fahrrad mitsamt den beiden Jungs, die strahlend an mir vorbei sausten - jetzt musste ich einsehen, dass ich keine Chance hatte. Ich fuhr hinterher und stellte anerkennend fest, dass die beiden tatsächlich die ersten Radfahrer waren, denen ich ohne zu zögern den ZurSchuleFlitzPokal überlassen musste, so locker und cool ist noch nie jemand an mir vorbei geradelt ;-)
Na gut, als der Schieber dann abbog, dauerte es nicht lange, bis ich sie wieder einholte, aber das zählt nicht mehr
Eine Kollegin bat mich gerade, meinen Prüfungstermin für die Englischprüfung (ich werde mal wieder auf Niveau C1 geprüft, hurra ;-) zu tauschen, sie hatte den Termin gemeinsam mit unserem stellvertretenden Schulleiter. In der Prüfung werden immer zwei Leute gleichzeitig geprüft und müssen ein Gespräch führen. Sie hat Angst, dass sie da nicht sprechen kann, weil die Hierarchie, er ist eben ganz oben in der Pyramide, sie hemmt - für mich ist das kein Problem, was sie ja auch weiß, nachdem ich im Vorbereitungskurs immer mal wieder in den Redefluss des Chefs hineingepoltert bin ;-)
Einziges Problem dabei: Sein Englisch ist dann doch viel besser als meines ...