ägyptische Zeiten
Mit einer losen Brücke und einer vergangenen Mandelentzündung ging ich zum Zahnarzt.
Dort zeigte sich, dass es nicht die Mandeln gewesen waren, sondern der Zahn und dass der hin war - spontan wurde er gezogen nachdem der Zahnarzt sich eine Stunde lang gemüht hatte, ihn zu retten (aber der Befund war doch eindeutig mit Metallstäben in Zähnen und Röntgenbild vom Zahn mit den Dingern herinnen - da war wenig Wurzel, da war viel schwarzes kaputtes, da war kaum gesundes.
Und das fiese dabei: der Zahn war seit Jahren kräftigst beschäftigt mit verfaulen und ich habe davon nichts gemerkt, war er doch überkront - und nach Meinung des Zahnarztes hatte der Verfall mit dem Moment der Überkronung angefangen.
Warum hatte ich keine Zahnschmerzen als Warnzeichen sondern erst Probleme mit dem Lymphsystem, als es längst vorbei war?
Na, lässt sich nicht mehr ändern.
Aber über den Zahnarzt lässt sich erzählen: der spricht prima Englisch, ist ungefähr in meinem Alter, hat seine Ausbildung zum Teil im damals noch kommunistischen Prag gemacht, kann prima erzählen und schafft es, einem beim Bohren sagen zu müssen, dass man jetzt bitte nicht lacht, weil es sonst weh tun wird ...
Und das ganze in einer Praxis, die ziemlich runtergekommen aussieht, nicht wirklich steril, auch nicht unbeding super modern. Aber es gibt tausende Bücher, uralte darunter, schöne, seltene. Und es gibt den Aschenbecher und die Zigaretten, die in der Praxis geraucht werden, während die Betäubung wirken soll, es gibt die Ketten aus Steinperlen, die das neueste Hobby des Zahnarztes sind, es gibt den großen Haufen an Gebissmodellen, wirr durcheinander, in unterschiedlichsten Zuständen des Zerfalls ...
Nein, ich kann ihn doch nicht wirklich beschreiben. Aber es hat wirklich fast Spaß gemacht am Donnerstag, den Weisheitszahn los zu werden ...
haben wir gefunden, nachdem ich hier irgendwann mal zwangsumziehen müsste ins Gefängnis, weil ich hier eines Tages ein paar der Arschlöcher ermorden würde, die tief in der Nacht herumhupen, jede Nacht, eben gerade zum Beispiel einer, hupte eine kleine Melodie, hupte in ein paar Sekunden, direkt vor dem Fenster, mehr als ich in meinem ganzen Autofahrerleben hupte, in dem ich denn doch allermindest 100 000 Kilometer hinkriegte, doch, irgendwann würde ich einen oder ein paar von denen erschießen, amoklaufen, die Taxifahrer z.B. allesamt grausam meucheln, die letztens um 2.30 Uhr fünf Minuten lang Hupkonzert machten, drei verschiedene Hupen, alle lauter als das, was serienmäßig in Deutschland verbaut wird, alle drei ganz begeistert im Konzert dabei, das so lange dauerte, dass ich gemütlich wach werden konnte, mich ärgern, mich noch mehr ärgern, dass es einfach nicht aufhörte, das Kissen auf's Ohr klemmen konnte, einsehen, dass das nichts nützen würde, auch reichlich zeit, auf dem Balkon zu gehen, zu schauen, welche vertierten Wesen das wären, auch Zeit genug, die drei Beteiligten zu erkennen, zu sehen, welche Autos beteiligt waren, dann noch zu entscheiden, zumindest den einen Taxifahrer zur Schnecke zu machen, der im Haus nebenan wohnt, dessen Kind genauso nicht schlafen könnte, wie ich, sofern es nach vorne hin läge, mich anzuziehen, drei Stockwerke hinunter zu klettern und dann noch das hupende Taxi von hinten verschwinden zu sehen. Ja, die würde ich liebend gerne allesamt mit ihren eigenen Hupen füttern, ihre kleinen Schwänze abschneiden, sie quälen, so wie sie mich seit Wochen regelmäßig jede Nacht qälen, mich jede Nacht nicht schlafen lassen ...
Kurz und gut: ich muss hier weg. Für deren Überleben, für meine Gesundheit, nicht nur die organische sondern auch die geistige ...
Letzte Woche beim Spaziergang dann einen Makler auf Zamalek gefragt, dort ein Loch gesehen für 450 Euro, zwei Schlafzimmer, die sanitären Anlagen wurden schon recyclet, als das Loch damals vor 100 Jahren drum herum gebaut wurde, Wohnzimmer mit sieben Quadratmetern, Flecken an der Wand aber dafür völlig frei von Fenstern. Der Zamalek-Makler gab uns die Telephonnummer eines Agusa / Mohandisen Maklers und der zeigte uns dann am Mittwoch eine ganze Reihe schöner Wohnungen, teilweise billiger, teilweise teurer, teilweise schweineteuer (nein, 1200 Dollar habe ichnicht für eine Wohnung, auch wenn der Garten groß war, sterilisiert in Waschbetonplatten und dementsprechend abweisend und stillos aber pflegeleicht, auch die 1000 Dollar - runterhandelbar auf 5000 ägyptische Pfund für die riesige Wohnung mit echtem Gartenstreifen drum herum, mitten in der Stadt, sogar mit Kinderschaukel - wäre es nicht gewesen, aber die dritte, die er uns zeigte, die mit dem Holzboden, die mit der ungewohnten Holzdecke, eigentlich nicht mein Fall, aber hier nicht Schwarzwaldhaus-Stil sondern eher Bauhaus oder sonst modern schlicht passend, die war einfach umwerfend toll mit ihren drei Balkonen, dem großen Salon, der großen Küche, dem akzeptablen Bad (das so aussieht, als ließe es sich tatsächlich ohne größeren Aufwand einigermaßen entkeimen), doch, dieser dritte Wohnugn hat es uns angetan, irgendwo bei der Tibetanischen Botschaft (die indische war doch wieder mitten auf Zamalek, viel zu teure Wohngegend für uns :-).
Und Donnerstag war ich dann anderweitig beschäftigt, die Wohnungsschau auf Zamalek ließen wir ausfallen. Freitag gingen wir nochmal in Wohnung drei, um sie im Hellen zu sehen - und sie war noch schöner mit Sonnenlicht, auch wenn der Salon dunkel bleibt, aber der Balkon ...
OK, Vertrag unterschrieben, von der Bank genug Geld geholt, eine Monatsmiete bezahlt, auch eine MOnatsmiete Deposit und die halbe Maklergebühr, und Morgen kriegen wir den Schlüssel, müssen noch streichen, die Farbe hat die Vermieterin schon besorgt, wie verabredet, dafür rief sie gestern extra an, eine süße nette ältere Dame, der es schon fast peinlich war, dass sie es noch nicht geschafft hatte, den Kühlschrank zu putzen, nachdem am Vortag die Vormieter ausgezogen waren, die sich auch kaum traute zu fragen, ob es möglich wäre, dass wir selbst streichen würden, nachdem sie selbst dazu nicht in der Lage wäre und niemanden kennte, der es könnte, ...
Doch, ich freue mich, demnächst werde ich hoffentlich schlafen können nachts und mich nicht in Mordphantasien vergehen müssen ...
(Und in der neuen Wohnung gibt es dann nicht nur ein Gästezimmer, sondern auch noch das dritte Schlafzimmer, das sich leer räumen lässt und zum Arbeitszimmer wird, während es jetzt so ist, dass die schrecklichen Vermietermöbel nicht mal genug Raum lassen für einen Schreibtisch ...)
Doch, ich freue mich sehr :-)
(Und die Agusa-Idioten hupen schon wieder ... )
Gestern war ich heldenhaft unterwegs, früh morgens zum Brötchen kaufen im Hotel auf der Nilinsel, da gibt*s echte Brötchen nach deutschem Muster ...
Und auf dem Rückweg kam mir ein Auto entgegen, hielt mich an, nachdem die Herren mich als Blondy erkannt hatten, wollten offensichtlich etwas von mir ...
Und schwuppdiwupp zeigten sie einen Polizeiausweis, zeigten mir verranzte Photos von drei Männern, sagten mir, dass deren Euros, deren Geld nicht gut sei, fragten nach meinen Dollars oder Euros, wollten mein Portemonaie sehen, gerne doch, is eh nix drinnen, verbotenes sowieso nicht und dass ich illegal hier lebe, arbeite, das muss ich ja niemandem auf die Nase binden und im Portemonaie is es nicht geschrieben ...
Und die Tüte mit den Brötchen wollten sie dann auch noch sehen, auch wissen, was in den Hosentaschen war, lustig das, glaubten einfach, als ich sagte, da sei nix, waren zufrieden, als sie sahen, dass es nur Brötchen waren, dass es keine Dollars gab, ...
Es waren nur zwei, drei Minuten, ich schlief eigentlich noch, war noch arg früh, vor der wochenendlich verspäteten Menschwerdung und surreal - surreal wie so vieles, das ich gar nicht mehr wahrnehme, weil der grausame Alltag zu viel Energie frisst ...
Leider gibt*s keine Photos - ich glaube, die hätten auch was dagegen gehabt - und ich war noch lange nicht in der Lage, welche zuu machen ...
Ausnahmsweise kein Tee im Garten des Archimedes, wo auch immer der sein mag, sondern auf ein Bier im Shepards - nicht ganz, im Nachbarladen, fünf- bis achtfach besternt, so schick, dass unsereiner im ollen Trackeroutfit ohne schwierigkeiten und ohne Wimpernzucken hereingelassen wird, ..
Im zweiten Stock dann die Bar "Embassador" - dunkel, mit gigantischen dunkelbraunen Sesseln an noch dunkleren Tischen auf dunklem Teppich und heftigst Zigarrenrauchriechend - wäre ich um eine Ecke gegangen und hätte plötzlich Churchill da gesessen oder Hitchcock, ich hätte mich gar nicht gewundert.
Hübsch war's, einfach, weil sonst am Nilufer in Kairo kein Alkohol aufzutreiben war und wir jetzt doch noch ein Bier trinken konnten, um den Abend nach der Felukkafahrt auf dem Nil ausklingen zu lassen.
Beim Versuch, Künstlerphotos von M. zu machen, haben wir den Garten Eden entdeckt: Am Rande Kairos gibt es ein landwirtschaftliches Gebiet mit allen möglichen Getreiden, Gemüsen und diversen Obstbäumen. Richtig wunderschön, archaisch, grün, fast gar nicht verdreckt, nicht stinkig, fast wie zu hause in hessisch Sibirien, nur viel viel schöner und wärmer ...
besonders eindrucksvoll fand ich ja die Wasserpumpen - das Grundwasser ist hier gerade mal zwei, drei Meter unter dem Erdboden zu finden:
Der Esel hat übrigens verbundene Augen, damit er nicht merkt, dass er im Kreis läuft - so hat er das Gefühl und die Hoffnung, dass sein Weg irgendwann zu einem Ende führt und geht weiter - wüsste er, dass es nur im Kreis ist, wäre er nicht so doof, mitzuspielen ...
Richtig spannend wurde es dann, als wir einfach weiter wanderten:
Am Ende des Weges inmitten eines sehr angenehmen Obstgartens, der gesäumt war von Palmen, ging es einfach nicht mehr weiter, der Weg endete vor einem kleinen Haus, in dessen Nähe es noch einige Wirtschaftsgebäude gab, offensichtlich das herz der Farm. Und gerade als wir einsahen, dass wir zurück müssten, um wieder auf die Straße zu finden, kam der Besitzer angefahren, wohl um irgend etwas zu erledigen. Flugs wurden wir auf die Terasse gebeten, Sitzmöbel herbei geschafft, ein Tee gekocht, wir blieben eine Stunde und wurden dann sogar noch ind die Stadtmitte chauffiert. Ahmed R., der Besitzer dieses kleinen Paradieses lebt auf einer der Nilinseln, erbte die Farm vom Vater, machte sein eigenes Vermögen im Import von Lebens- und Genussmitteln, ist jetzt Rentner und betreibt die Farm nur so nebenbei.
Doch, so ein einfaches Nebenbei, das könnte mir gefallen :-)
... während ihr noch beim verlängerten Frühstück sitzt, während ihr die Seele baumeln und Schneebälle fliegen lasst, sitze ich gerade in einer nervigen Konferenz, nachdem ein anstrengender Arbeitstag sich schon dem Ende zuneigt, zumindest der gemeinsame Teil, der Teil, der allein zu Hause stattfindet, der kommt noch - aber der Tatort, der ist heilig, basta!
(und für die, die's noch nicht wissen: im islamischen Ägypten ist der Freitag der heilige Tag, hier auch frei, und bei uns in der Schule ist auch der Samstag frei, was im allgemeinen Ägypten nicht unbedingt der Fall ist, die armen Leute müssen teilweise auch sechs (Schulen) oder sieben (viele private Gewerbe) arbeiten, 40 Wochenstunden sind hier für die Mehrheit nur Traum.
der Tag der Polizei ist Feiertag in Ägypten und ich nutze ihn für einen kleinen Ausflug mit Freunden ans rote Meer - und ja, kräftig zugelegt habe ich offensichtlich, aber das auf dem Photo bin tatsächlich ich, eben gerade, jetzt sitze ich in noch nasser Badehose am Strand mit dem Computer auf dem Schoß ;-)

Eigentlich sollte man ja meinen, 17° C seien warm, in Deutschland haben wir das ja manchmal sogar mit einem Minus davor und erfrieren nicht ...
Ich glaube, ich werde mir demnächst doch noch so ein kleines Teil einkaufen, das man sich neben den Stuhl oder den Sessel oder das Sofa oder sonstwohin stellt, anwirft und sich flugs der wohligen Wärme erfreut, die es um einen herum (hoffentlich) erzeugt.
Irgendwie friere ich wirklich, nachdem ich den ganzen Tag in ungeheizten Räumen verbracht habe ...
(Und Morgen machen wir einen Ausflug ans Meer, na, ich werde mich warm einpacken ;-)
gibt's nicht mehr - das letzte Mal war ich mit B. da, ist schon ein paar Tage her, ist er doch schon vor einer Woche wieder zurück geflogen. Und heute ist es nicht mehr da.
Lustig das, ich wohne noch keinen Monat hier, hatte ganz schnell schon ein Stammcafé und war glücklich, einen Ort gefunden zu haben, wo es guten Kaffee gab (und nett anzuschauende Bedienungen mit großem Lächeln und auch sonst nicht unansehnlich, und zwar beides, Männer und Frauen, was selten ist in Ägypten), ein Ort, der einfach ansprechend, gemütlich war und schwuppdiwupp ist der Laden verschwunden ...
Jetzt sitze ich also im anderen, nicht ganz so netten, wo der Kaffee nicht ganz so gut ist, wo es viel zu laut ist, viel zu voll, wo man über die fiese Straße muss um hin zu kommen ...
Schade das.